Kuriosa
Toby Bohne
25.10.2024 – 19 Uhr
Servus,
der Herbst dräut und nach den eher lichten Momenten der vergangenen Sommermonate richten wir so langsam das Kaminzimmer ein, sprich, es wird ein wenig muckeliger.
Als wir Toby Bohne das erste Mal persönlich begegnen, ist es zunächst schwierig, ihn als Person mit den Arbeiten, die wir ja schon vorab via Instagram bewundern durften, in Einklang zu bringen. Als ein durchaus junger Geselle mit ebensolchem Gefolge würde man ihn eigentlich komplett anders verorten. Doch recht schnell stellt sich heraus, dass wir es mit einem nachdenklich-melancholischen, dabei aber hintersinnig-schwarzhumorigen Ironiker zu tun haben, dessen Werk dann in der Tat sehr kongruent zum Menschen Toby erscheint. Trotzdem bleibt eine ungewöhnliche Melange aus Person und Kunst, ein interessantes Spannungsfeld. Das illustriert auch ein kurzer O-Ton des Künstlers, den wir euch natürlich wie immer nicht vorenthalten:
„Meine Motivation ist es, innere Gefühle und Gedanken auszudrücken, die sich nicht in Worte fassen lassen. Das Malen dient mir als Ventil, um mit Themen wie Dunkelheit, Tod oder Vergänglichkeit umzugehen.
Manchmal ist auch einfach der Wunsch, etwas Einzigartiges zu schaffen oder die Welt aus einer persönlichen, intensiven Perspektive zu sehen der Motor für mein Schaffen.
Wenn man schon Nichts in dieser Welt kontrollieren kann, dann wenigstens ein kleines Stück Malgrund.“
Worte eines jungen Mannes, der auf der Suche ist – nach Sinn, nach sich selbst, nach Antworten auf Fragen, die eigentlich vielleicht erst später aufploppen (sollten) … fernab vom gern zitierten „Jugendlichen Leichtsinn“ und oberflächlichem Influencer-Eskapismus. Das hat uns schwer beeindruckt, freuen wir uns doch immer über Menschen, die sich und die Welt reflektieren, sich mit dem Wesen der Dinge und der Befindlichkeit beschäftigen – auch, wenn es mitunter keine leichte Kost ist. In dieser Auseinandersetzung entsteht halt Bedeutung – und diese Bedeutung fliesst in das jeweilige Werk und gibt ihm seine einzigartige Intensität, die dann auch auf den Betrachter überspringt. Sei es als Wohlgefühl oder halt auch als Gänsehaut.
Aber bei aller Schwere auf den ersten Blick, zwinkern auch immer Ironie und der neckische Hintersinn des Künstlers und brechen die oberflächliche Ernsthaftigkeit auf, lassen die Sujets gern ins Kuriose abdriften.
Daher der Titel der Ausstellung: Kuriosa
Auch haben wir noch einen kleinen, aber feinen Text von Tobys Schwester bekommen, mit dem wir abschliessen möchten:
»Kuriosa« führt uns tief in die Welt der inneren Kämpfe und der Selbstwahrnehmung. Die intensiven, oft melancholischen Gesichtsausdrücke der porträtierten Figuren offenbaren eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Inneren – Fragen nach Identität, Selbstzweifeln und existenziellen Ängsten stehen im Raum.
Toby Bohne ergründet in seinen Arbeiten die emotionale Tiefe und Komplexität des menschlichen Geistes, wobei jedes Bild zum Spiegel für die eigene Reflexion wird. Mit einem außergewöhnlichen Gespür für Emotionen lädt diese Ausstellung dazu ein, den Blick nach innen zu richten und sich den Facetten des eigenen Selbst zu stellen.
Toby verfolgt das Ziel, das Unsichtbare sichtbar zu machen – jene flüchtigen, echten Momente einzufangen, in denen das wahre Ich zum Vorschein kommt. Es ist eine Reise durch die komplexen Höhen und Tiefen des menschlichen Seins, eingefangen in Porträts in Öl auf Leinwand.“
Dem ist final nichts hinzuzufügen. Kommt reichlich – wir freuen uns!
Toby, Jesus und Chris
Nachfolgend noch der Text der kurzen Lesung, die Susanne Bohne, die Schwester von Toby, am Ausklangsabend der Ausstellung gehalten hat. Für alle, die es nicht geschafft haben. Vielen Dank dafür, Susanne :-)
Die Stille spricht
von Susanne Bohne, 8.11.24 – Finissage „Kuriosa“
Manchmal, wenn ich in einem Museum, in einer Galerie, vor einem
Gemälde, stehe, frage ich mich, ob es mit mir spricht oder ob ich es
bin, die ihm Worte in den Mund legt.
Bei den Kunstwerken dieser Ausstellung ist diese Frage noch ein
bisschen komplizierter, für mich jedenfalls, denn mein Bruder hat
diese Bilder gemalt.
Wir sind bisher Wege mit vielen Erinnerungen gegangen. Allein und
manchmal gemeinsam. An unseren Wegrändern liegt Erlebtes. Gesehenes.
Getanes. Geteiltes. So wie es wohl oft bei Geschwistern vorkommt,
deren Wege nie völlig andere Richtungen einschlagen.
Die Distanz zu den Bildern meines Bruders ist für mich daher aber
auch kürzer als sie es bei anderen Bildern ist, und vielleicht frage
ich mich gerade deswegen, ob also das Bild vor mir mit mir oder nur
durch mich spricht.
Vielleicht ist es ja beides.
Denn egal wie groß oder klein die Distanz zu Kunstwerken ist:
Irgendwo befindet sich immer ein kleiner Spalt. Zwischen mir. Und
der Kunst. Und in diesem Spalt, manchmal ist es nur ein fast
unsichtbarer Ritz, manchmal kann er eine große Schlucht sein – in
diesem Spalt also ist es ganz still.
Möglicherweise braucht es genau diese Stille, damit wir wirklich
zuhören können. Und die Bilder in dieser Ausstellung – sie flüstern.
Mitten in diese Stille, in uns hinein, ganz leise, vielleicht
flüstern sie auch lauter. Das kommt darauf an.
In meine Stille erzählen die Bilder meines Bruders von Dingen, die
wir alle kennen, aber nur selten aussprechen. Von den Momenten, in
denen wir nicht wissen, wer wir sind, oder warum wir überhaupt sind.
Die Gesichter auf seinen Bildern schauen mich an. Sie blicken ins
Leere, und doch direkt in mich hinein. Ihre Augen scheinen mehr zu
fragen, als sie bereit sind, zu verraten.
Die Gesichter und Figuren auf Tobias Bildern, sie erzählen von dem,
was wir nicht sehen. Man erahnt die Geschichten, die sie in sich
tragen, aber sie erzählen sie nicht auf den ersten Blick. Da ist
etwas Verschlossenes in ihnen, etwas, das sich erst nach und nach
zeigt, wenn man bereit ist, hinzusehen und wenn man die Stille
aushält, die sich in dem Spalt breit macht.
Dann erkennen wir uns in ihnen wieder, in den kleinen Rissen, die
durch ihre Gesichter und Körper laufen, in den Schatten, die sich
zart über ihre Augen gelegt haben. Und wir selbst, jeder und jede
von uns, wir tragen diese Schatten in uns, versteckt unter der
Fassade, die wir der Welt zeigen.
Auf anderen Werken begegnen uns Tiere. Sie sind stille Beobachter,
die uns daran erinnern, dass wir nicht nur Menschen sind. Sie tragen
die Freiheit in sich, das Wilde, Ungezähmte, das wir so oft in uns
verstecken. Vielleicht sind sie ein Echo dessen, was wir verloren
haben. Vielleicht erinnern sie uns daran, dass das Verlorene immer
noch da ist, tief in uns. Sie betrachten uns, lautlos, verwischt und
doch präsent. Sie sind eine Erinnerung an das, was wir
möglicherweise immer noch in uns tragen, auch wenn wir es nicht mehr
spüren.
Das Fleisch, das wir in einigen Bildern sehen, körperlos mit
erahnten Gesichtern, in sich krank verklumpt, zerfließend – das Fleisch spricht seine eigene Sprache. Es ist nicht nur Symbol für
das Leid, den Tod, für das Ende. Es ist auch ein Symbol für das
Leben, für die Vergänglichkeit, die uns alle verbindet. Nichts
bleibt. Irgendwann werden wir nichts als Erinnerung und Flecken auf
Seelen sein, die weitergetragen werden. Oder die schnell mit der
Zeit verblassen und vergessen sein werden.
Und vielleicht ist es genau diese Vergänglichkeit, die uns stärker
macht. Im Leben. Um die Momente mehr, viel mehr, zu schätzen, die
wir haben. Wir erkennen in Tobys Bildern die Schönheit im Zerfall,
in den Rissen und Brüchen, die das Leben mit sich bringt.
Meine Stille sagt mir:
Diese Bilder tragen die Narben von inneren Kämpfen. Sie zeigen die
dunklen Seiten des Lebens, die Selbstzweifel, die Ängste. Aber in
ihnen erkenne ich, vielleicht als große Schwester, vielleicht nur
als Betrachtende, auch den unbeugsamen Willen, nicht mit ihnen, den
dunklen Seiten, unterzugehen.
Es geht in den Bildern auch ums Durchhalten. Nicht aufgeben. Sich
über Wasser halten, auch wenn der Sturm die Wellen hochpeitscht und
man zu ertrinken droht. Vielleicht ist die Kunst für Künstler oft
ein Rettungsstrohhalm. Das Einzige, das sie wirklich versteht, wenn
sie die Welt nicht begreifen können. Ein Ort, an dem sie sich mit
ihren tiefsten Gefühlen auseinandersetzen können und Worte dafür
finden. Vielleicht ist die Kunst das auch für meinen Bruder.
Diese Bilder sind für mich eine Einladung, in den Spiegel zu
schauen. Nicht in den Spiegel, den wir täglich sehen, sondern in
den, den wir so oft meiden. Den Spiegel, der uns zeigt, wer wir
wirklich sind, wenn die Masken fallen, wenn das Licht schwindet und
die Schatten hervortreten. Und vielleicht, nur vielleicht, erkennen
wir in diesen Spiegeln nicht nur uns selbst, sondern auch die
anderen.
Denn am Ende sind wir alle auf der gleichen Suche, auch wenn unsere
Wege verschieden sind. So wie die meines Bruders und mir.
Und so stehe ich hier, vor diesen Bildern, und höre ihnen in meiner
Stille zu. Sie sprechen von den Höhen und Tiefen des Menschseins,
von der Wildheit in uns, die wir oft vergessen, und von der
Zärtlichkeit, die wir manchmal verbergen. Sie erinnern mich daran,
dass wir alle diese Zweiheit in uns tragen, dass wir alle irgendwo
zwischen Licht und Schatten balancieren.
Und vielleicht ist das die größte Erkenntnis, die wir heute hier in
die Jackentasche stecken und mitnehmen können:
Dass wir nicht perfekt sein müssen und nicht können. Dass wir die
Dunkelheit nicht fürchten müssen, wenn wir es wagen, durchzuhalten,
dass es die Risse und Brüche sind, die uns lebendig machen – und
dass die Stille spricht.
Danke für diese Kunst!
Susanne Bohne – Schriftstellerin
halloliebewolke.com
Rowohlt